In einem einzigen Kopf kann so unfassbar viel los sein. Es grenzt an Wahnsinn. Um dem kompletten Irrsinn zu entkommen und mich nicht eines Tages komplett in Wolkenkuckucksheim zu verlieren, dürfen die Gedanken jetzt raus. Also, Bitteschön: Willkommen in meinem Kopf. Von Maike Endresz, Foto: Ulla Kühnle Die Frau, die ich sein möchte. Soll. Bin. Darf. Kann. Puh. Wenn meine Tochter tanzt, dann sehe ich die pure Weiblichkeit. Als feiert sie das (Frau-) Sein, alles, was das Leben ausmacht. Ich sehe dann eine Göttin in ihr, die Göttin der Weiblichkeit, der Lust und der Lebensfreude. Sie feiert die Bewegungen so sehr, sie ist so in sich und tanzt nur für sich selbst. Ich sehe dann die Frau, die sie mal wird: leidenschaft- lich, stark, klar, warm und weich, verletzt, verletzlich und manchmal verletzend, eine Liebende, eine Schützende, eine Kämpferin, eine Kriegerin, eine Ronja Räubertochter. Sie tanzt die Frau in sich. Das Leben, das Sein. Himmel, ich bete sie an, wenn sie sich im Tanz verliert. Aber ob sie auch wirklich mal die Frau sein wird, die sie selber sein möchte? Oder vielleicht wird sie das, was sie glaubt, erfüllen zu müssen. Und wie werden diese Erwartungen aussehen? ja schließlich die nächste Generation. Ich überlege: Wer ist das denn über- haupt, diese Frau, die ich bin, zu sein scheine oder sein möchte? Und woher kommt überhaupt der Gedanke, dass die, die ich jetzt bin, viel- Anders, als bei mir, orakel ich, sie ist leicht nicht genug ist? Sind wir denn nie genug? Wer soll ich sein, wie darf ich sein, wie möchte ich sein und wer bin ich dann? Genug Frau? Und wann bin ich einfach ich? Fakt ist halt einfach eins: Die Gesellschaft (w/m/n) hat gefühlt so viele Erwartungen an mich, an das, was ich als Frau verkörpere, was ich ›darf‹ und was nicht, was natürlich nicht (mehr) irgendwo geschrieben steht, so dass man das mal nachlesen könnte, aber irgendwie immer mal so durchsickert. Woher das alles kommt? Da sind so viele Köpfe, Ideen, Ideale, ›Role Models‹, ungeschriebene Gesetze, Erwartungen, Wünsche. Von der Freundin, der Feministin, dem Freund, dem Partner, dem Kollegen, der Tochter, dem Sohn, der Politikerin, der Geschäftspartnerin, dem Kunden, der Kundin, dem Vater, dem Kind in mir und damit all meinen Glaubenssätzen. Flippste aus. Ich soll nicht zu weich sein und auch nicht zu hart. Immer so, dass es gut passt, aber Vorsicht, das Passen ändert sich ganz schnell. Ich soll eine gute Figur haben, nicht zu dick, aber auch nicht zu dünn, nicht zu muskulös, und hey - die Hose ist schon schön... »wenn man's halt tragen kann«. Ich soll alle verstehen und mich gerne kümmern, die Welt verändern, aber bitte keine »Mutti der Nation« oder Patronin sein, das ist zu viel und auch so heilig, irgendwie. Ich soll für mich einstehen, kämpfen und rebellieren, aber – um Himmels Wil- len! – nicht so extrem und auch nicht so anstrengend sein. Ich soll erfolgreich sein im Beruf aber, nach Möglichkeit, nicht toller als ein Mann (das sagen wir aber nicht laut). Ich soll eine gute Mutter sein, aber nicht zu behütend, und bitte auch nicht so offen- sichtlich leiden, wenn die Mama-Nummer dem Ende zugeht. Ich soll immer Lust haben und sexy sein, aber nicht zu offensiv (wirkt schlampig) und nicht nach aussen (wirkt auch schlampig). Ich soll immer hübsch sein, aber nicht eitel (!), dabei ganz natürlich, das heißt aber nicht, dass Menschen gerne meine Körper- behaarung anschauen möchten. Ich soll meine Weiblichkeit leben und lieben, aber meinen Zyklus und die dazuge- hörigen Hormone für mich behalten, es möchte doch keiner wissen, wann ich blute und wie doll und wie ich mich so fühle, an Tag 20 meines Zyklus (scheiße, übrigens!). Ich soll auch aufgehen in der Rolle der Hausfrau, viel und gerne kochen, alles schön in Ordnung halten, aber meine Wildheit dabei nicht verlieren. Immer schön begeh- renswert sein. Ich soll für uns Frauen die Faust gen Himmel strecken, aber nicht zu feministisch. Ich soll doch wohl feministisch sein, aber ohne zu nerven, also so eine stille ›innerliche‹ Pionierin, ohne Damenbart. Ich soll mich geben, wie ich will, bin und mich fühle, aber nicht wie eine Walküre, ein Mannsweib, das macht doch eine Frau nicht und außerdem säuft sie nicht die Männer unter den Tisch, herrje, du bist so laut und viel. Ich soll eine formidable Beziehungs- partnerin Deluxe sein, auch das jäten über- nehmen im Garten der Liebe, aber »was Du wieder hast...« und »wieso müsst IHR FRAUEN immer alles zerreden?!?« Ich soll MICH nicht verlieren, mich aber auch nicht so ernst nehmen, ich soll den Mund aufmachen, aber nicht zu laut, ich soll aufbegehren, aber nicht in jeder Situation, ich soll intuitiv sein, aber damit nicht kokettieren, ich soll meinen Körper lieben, aber graue Schläfen sind nur bei Männern hübsch, ich soll keine Klischees 1 7 . r N x i n a H 32 KOPFKINO