NSU-Komplex«. Mirjam Meuser, Dramaturgin am Theater Heil- bronn, engagiert sich für den Heilbronner Part. »Tatorte« des Projektes sind die 13, die zu den Tätern oder deren Verbrechen in Verbindung stehen; gefördert wird es von der Kulturstiftung des Bundes. Vom 21. Oktober bis 7.November, gerade entstehen die Bühnenbilder, stehen die Aufführungen von »Vor Ort – eine Spurensuche« auf dem Spielplan, als »Dokumentartheater« des Teams dura & kroesinger. Regine Dura und Hans-Werner Kroesing- er, hochgelobte Dokumentaristen, waren mehrfach in Heilbronn, recherchierten hier zum Mord an Michele Kiesewetter wie auch den Verbindungen zwischen dem NSU und der örtlichen rechten Szene. Es ist gut, dass sie da waren, es ist gut, dass es dieses Projekt gibt. Um Leben und Überleben für Krebspatienten geht es bei dem, womit sich das 2016 von Prof. Uwe Martens, Chefarzt am SLK-Klini- kum Gesundbrunnen, gegründete Molit-Institut in Heilbronn bes- chäftigt – genauer: Neue Therapie-Ansätze in der Krebsforschung zu finden unter dem Stichwort »Personalisierte Medizin«. Zur bisherigen Förderung von Molit durch die Schwarz-Stiftung, ist nun auch eine hochoffizielle dazugekommen. Als Preisträger im Landeswettbewerb RegioWIN 2030 erhält Molit 12,1 Millionen Forschungsgelder. Molit setzt dem Krebs nicht nur einen erfol- gversprechenden Therapieansatz entgegen, sondern nun auch den Aufbau einer eigenen molekularbiologischen Laborkompetenz mit Bio-Bank unter der Marke I3. Das Kürzel steht für »Data Science, Core Labs und Klinische Studien«. Das sieht man beim Land nicht nur uneigennützig, zur Preisvergabe hieß es u.a., dass »durch das Leuchtturmprojekt« die Region attraktiver für den Zuzug molekularbiologischer Kompetenzträger werde. Es geht also um weiteres akademisches und wirtschaftliches Leben für Heilbronn Zukunft unserer Innenstadt« geplant. Wenn Corona eines gezeigt hat, dann doch wie menschen- und ortsabhängig, erst recht auch kulturabhängig wir sind, um menschenwürdig zu leben und zu überleben. Hat uns Corona auf die Stühle in der Höhle Platons gefesselt? Ein anderer alter Grieche, Hippokrates von Kos, empfahl: »Ist eine Krankheit chronisch geworden, hilft ein Ortswechsel.« Bei Zeus! Er ahnte nichts von Corona! Ein schöner Begriff ist gerade Mode geworden: »Topophilia«, die Wissenschaft vom Einfluss von Orten auf Menschen. Fachfrau Dr. Roberta Rio sagt es so: »Die tiefe Verbindung zwischen der körperlichen Gesundheit der Menschen, der Qualität von Beziehungen, dem Berufserfolg und dem Ort, an dem man lebt und arbeitet, ist den meisten Menschen noch unbekannt. Diese Verbindung ist jedoch entscheidend.« Und weiter: »Den Geist des Ortes ans Licht zu bringen und ihn zu erkennen ermöglicht uns, greifbare, dauerhafte und erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen.« Gut, wenn zum Geist auch eine kritische Selbstwahrnehnung kommt. Bei »mir san mir« entfällt das Nach- fragen – aber Heilbronn? Es gibt sie ja noch, die den Unterschied kennen zwischen »Neckargärtich« oder »Neckargaartich«. Lacht da jemand? Das mitunter hämische Lachen über die »Universi- tätsstadt« ist abgeklungen, es wird, dank Geld als einer (aber nur einer!) Voraussetzung für Geist, auch jenen vergehen, die anneh- men, der Bildungscampus sei fertig oder der einzige Ort für ihn. Treffen Selbst- und Außenwahrnehmung in Heilbronn aufeinander, dann steht auch diese Frage im Raum: Wie sieht die Welt das Le- ben in Heilbronn, wenn sie über Spätzlekrieg und Skandalarzt am Klinikum, Kirchenfensterstreit und Käthchen-Schmeißen hinaus kaum etwas hört, was Begeisterung auslöste, zumal der Charme der Buga so gnadenlos als Corona-Wolke verpuffte. Was Leben und Überleben in dieser Stadt gut macht, wird nicht nur am Reißbrett der Stadtentwickler ausgedacht. Michele Kiesewetter hat Heilbronn nicht überlebt. Sie hätte es für ihr Leben gern getan. Am 25. April 2007, einem warmen Früh- lingstag, wurde die 22-jährige Polizistin mit einem aufgesetzten Kopfschuss getötet, auf der Theresienwiese, vor einem Trafo-Häus- chen, wo sie zusammen mit ihrem (überlebenden) Kollegen, im Streifenwagen sitzend, in der Mittagspause, gerade die Sonne genoss. Fünf Jahre vor der Wiedervereinigung in Thüringen geboren, hatte sie keine Chance, ihren Mördern zu entkommen. Es war kein »Phantom«, das tötete, dieses Hilfskonstrukt wurde bemüht, weil man erst vier Jahre später das Verbrecher dem rechtsterroristischen NSU zugeordnete, der von 2000 bis 2006, rassistisch motiviert, neun Menschen hinrichten konnte, auch weil die Fahnder auf dem rechten Auge so blind waren. Die Aufarbeitung unzähliger Pannen, Ermittlungsfehler, Verdächtigungen, auch gegenüber den Opfern, ist bis heute beschämend und weil Michele Kiesewetter nicht ins Raster der anderen Opfer (Migrationshintergrund) passte, musste es ihre DDR-Herkunft sein. Und dann: Ein Nazimord in Heilbronn? Die oft geradezu beleidigte Reaktion darauf verriet traurige Wahrheiten über die Stadt, auch über die Untoten und Leichen im Keller ihrer Geschichte. Die Gedenktafel für den Anschlag, da, wo bald danach beim Volksfest wieder Bierhumpen gestemmt wurden, wurde mehr- fach mutwillig beschädigt, ein 73-jährigen Rentner, der in einem Fall zwei Jugendliche zur Rede stellte, zusammengeschlagen und schwer verletzt. Und das alles in unserer lieben kleinen Großstadt! Ein Blick auf die Websites von AfD-Mitgliedern, auch solcher, die im Gemeinderat der Stadt reden wie der Wolf, der Kreide ge- fressen hat, hetzten weiter im Internet. Was das Nicht-Überleben von Michele Kiesewetter für Heilbronn bedeutet, wird der Herbst zeigen, beim Theaterprojekt »Kein Schlussstrich!«, angekündigt als »künstlerische und zivilgesellschaftliche Interventionen zum 3 7 . r N x i n a H IN DER CORONA-HÖHLE 37