Die Oliver Maria Schmitt-Kolumne Hanix 72: Heilbronn – A Nice Place To Come From

Die Oliver Maria Schmitt-Kolumne, Hanix 72: Heilbronn – A Nice Place To Come From

Mit Helene und Dean durchs Kuckucksuhrenland. Eine Raumzeiterfahrung im nasskalten Schwarzwald.

Vom achtsamen Anwohner zum Arschloch, das dauert nicht mal fünf Sekunden. Dann brettere ich aus dem Stand mit hundert Klotten durch den Schwarzwald, habe mich in Nullkommanix verwandelt und bin jetzt zeitgleich, in nur einer Person, Autist und Automobilist. Dabei bin ich doch in Deutschlands beliebtestem Wanderwald unterwegs, um mich gemächlich an der frischen Luft zu bewegen!

Natürlich nicht zu Fuß, das wäre viel zu gefährlich. Man könnte überfahren werden. Von Verkehrsrüpeln wie mir. Eigentlich hatte ich ja nur gemütlich im ollen Töfftöff durch den Schwarzwald gondeln wollen, durch die Ortenau. Sie ist der schönste Teil dieses Waldgebietes – abgesehen von den siebenundneunzig anderen verträumten Tälern, Bergen, Seen und Wäldern zwischen Karlsruhe und Lörrach. Ist man erst einmal da, kann man sich beim Anblick all der Obstwiesen, Weinberge und Waldrücken gar nicht mehr entscheiden, wo genau es denn nun am schönsten sei. Und fährt deshalb lieber eine Schönheit weiter. Nicht zuletzt deshalb wurde der Schwarzwald von Schwaben, Alemannen und Badensern als naturnaher Autoerlebnisparcours konzipiert und angelegt.

Zwar diente Deutschlands größtes und höchstes Mittelgebirge jahrhundertelang als Produktionsstätte von Märchen und Mythen, Wein und Schnaps, von Schinken, Bollenhüten und Kuckucksuhren – doch dann wurde ganz in der Nähe, in der gar nicht so schönen Kurpfalz, das Automobil erfunden. Während Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach im fernen Stuttgart noch verbissen am ersten vierrädrigen Automobil tüftelten, erhielt Carl Benz 1886 in Mannheim das Patent für seinen dreirädrigen Motorwagen. Von hier aus also startete das Auto in die Welt, und die erste Person, die mit einem Auto ausfuhr, war eine Frau: sie hieß Berta Benz. Nirgendwo werden Autos bis heute länger und erfolgreicher produziert als in ihrer Heimat Baden-Württemberg; dass dafür inzwischen ausgerechnet ein grüner Ministerpräsident sorgt, das gehört zu den vielen pragmatischen Lebenslügen, mit denen man sich’s im Musterländle so spätzlessatt gemütlich gemacht hat.

Also will auch ich als echter satter Pragmatiker die Natur erkunden. Und zwar in einem Oldtimer, denn das ist der Typus Fahrzeug, der meiner Person am meisten entspricht. Bevor mir der Vermieter jedoch die Zündschlüssel für einen alten Porsche Speedster und dann sogar für einen noch älteren britischen Roadster übergibt, solle ich doch erst mal den neuesten Porsche fahren. Den hätte er gerade da, meint der Mann leutselig: Schon nach einer kurzen Probefahrt wäre der Unterschied zu den alten Mühlen für mich doch noch viel auffälliger und beeindruckender.

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